Nr. 122 - 1. Juni 1982 - 11. Jahrgang
Das Dorf St. Johann in Engstetten
verfasst von Reg.Rat Alois Tempelmayr
I) Lage
Die rein bäuerliche Streusiedlung St.
Johann i. E. liegt ziemlich genau in der Mitte des Mostviertels und hat bei
einiger Phantasie die Form eines Herzens. Sie grenzt im Norden an die Gemeinde
Haag, ist zwischen den Gemeinden Wolfsbach im Osten und Weistrach im Westen
eingebettet und verjüngt sich nach Süden zur Gemeindegrenze von St. Peter in
der Au. Unser Streudorf ist an seiner breitesten Stelle 1,9 km breit, die
Längsachse beträgt 4,8 km. Die Oberfläche, 737 ha, ist ein Teil des fruchtbaren
Hügellandes, das sich von der Enns gegen die Donau hinzieht und in unserer
Gegend zu größeren Höhen ansteigt. Das Dorfgebiet wird von NNW nach SSO in der
Mitte seiner Längsachse von einem leicht welligen Höhenrücken durchzogen. Ihn
krönen die Kuppen des Weinberges (414 m), auf dessen sanftem SW-Hang im
Mittelalter Weingärten wuchsen, des Dirnberges (415 m) ‚ aus dem die
Landkartenzeichner einen Dürrenberg gemacht haben, und des bewaldeten Haaberges
(401m), von dem aus man einen herrlichen Rundblick genießen kann. Die sanft zu
Tal gleitenden Hänge gehen über in flache Ufer seichter, von spärlichem
Augehölz und mitunter sauren Wiesen begleiteter Bäche. Diese tragen rundherum
die natürliche Grenze zu den Nachbarn. Auf den Anhöhen, häufiger aber auf den
kleinen Terrassen am Rande der Talniederungen, machen sich in jeweils
angemessener Entfernung voneinander die für unsere Gegend typischen
Vierkanthöfe breit. Selten allein, häufig als echte Doppelhöfe zu zweit, nur
vereinzelt in einer Rotte (Dehendorf, Schadau) sitzen sie im Schatten oft
riesiger Obstbäume inmitten ihrer Gründe. Die Fachleute nennen diese
Flurordnung Blockflur. Sie beweist, dass das heutige Siedlungsbild im Wesentlichen
bereits etwa im 10. Jh. von bairischen Bauern geprägt wurde. In der Mitte des
Höhenrückens hat sich am sanften SW-Hang die kleine Ortschaft St. Johann
gebildet. Die stämmig wirkende Kirche inmitten eines kleinen, ummauerten
Friedhofes steht am östlichen Ortsrand; dennoch liegen ihr die Häuser der Ortschaft
zu Füßen. Es sind nicht viele, darunter der 1805 erbaute Pfarrhof, die 1902
erbaute Volksschule, das 1770 4 "Schullhaus" genannte ehemalige
Mesnerhaus, heute ein stattliches Wirtshaus, und etliche in jüngster Zeit
entstandene Wohnhäuser. Am Ortsrand stehen schon die ersten und zugleich wohl
ältesten Vierkanter, Wörth genannt. Dort befindet sich auch das
Haltestellenhäuschen der Westbahn.
II) Geschichte
Unsere Siedlung wird um 1110 zum ersten
Mal als "Enggizinstetin" urkundlich erwähnt, ist aber wahrscheinlich
erheblich älter. Der Name leitet sich von einem altbairischen Eigennamen
"Engizo" her, der sich auch in der weiblichen Form "Engiza"
in Passauer und Salzburger Urkunden des 9. und 10. Jh. findet. Der Namensteil
"...stetten" weist auf die Entstehung unserer Siedlung schon im 10.
Jh. hin. Um 1110 schenkte eine adelige Frau namens Bertha - vielleicht eine
Gräfin aus dem Geschlecht der Babenberger - der dem Hl. Johannes dem Täufer
geweihten Kirche und zugleich dem Kloster Garsten im heutigen OÖ 12 zu
Enggizinstetin gelegene Bauerngüter samt den darauf wirtschaftenden hörigen
Bauern.
Da neben dem Kloster Garsten zu dieser
Zeit das fränkische Bistum Bamberg im Rahmen seiner Hofmark Haag in unserem
Gebiet bereits Güter besaß, muss unsere Siedlung damals schon ein recht
stattliches Dorf gewesen sein, jedenfalls so groß, dass das 1082 vom Traungauer
Markgrafen Otakar I. gegründete Kloster Garsten die Gründung einer Pfarrkirche
für erforderlich hielt. Die Gründung der Kirche dürfte ebenfalls um 1110
anzusetzen sein, da der Ertrag der 12 Bauerngüter wohl auch dem Unterhalt des
Pfarrers zugedacht war. Unser Pfarrdorf wurde als Garstner Stiftspfarre in den
folgenden Jahrhunderten von Weltpriestern betreut, die von Garsten angestellt
waren. Um 1125 hieß unser Dorf schon "Engistetin", um 1180 noch
"Engensteten", um 1220 aber schon "St. Johann". Der Name
des Kirchenpatrons hatte sich durchgesetzt.
1384, 1398 und 1455 wurde unsere Pfarre
"Sand Johannspharr" genannt. Der alte Ortsname tauchte erst um 1483
wieder auf und wurde nun als "Engstetten" an den Namen des Patrons
angehängt. Um 1478 wurde St. Johann von Garsten getrennt, verlor seine
pfarrliche Selbständigkeit, gelangte unter das Patronat des Stiftes
Seitenstetten und wurde eine Filiale von dessen Stiftspfarre Wolfsbach. Der Ort
wurde nun abwechselnd von der Pfarre Wolfsbach und vom Stift betreut, bis sich
Seitenstetten 1647 entschloss, für die Johannser Pfarrleute ein eigenes
Vikariat einzurichten. Nach dem Bau eines neuen Pfarrhofes setzte das Stift
schließlich 1808 in St. Johann den ersten selbständigen, ortsfesten Pfarrer
ein. Damit fand St. Johann nach wechselvollem Schicksal seinen endgültigen
Platz im Kranze der Seitenstettner Stiftspfarren.
1795 zählte unser Bauerndorf (einschl. das
ehem. Haus Nr. 8‚ Straß) 60 Anwesen; davon waren 40 Bauernhöfe, 2 Hofstätten
und 10 "Häusl"; Rest: 2 Mühlen, 2 Weberhäusl, 1 Schmiedhäusl, 1
Binder, 1 Schuhmacher, das Mesnerhaus; davon gibt es heute nur mehr eine Mühle.
Die Bauern, die ja bis 1848 nicht Eigentümer ihrer Höfe waren, sondern ihren
Besitz von den Grundherrschften als Leher (=Leihe, bedingt einer Erbpacht
vergleichbar) hatten, waren folgenden Herrschaften untertan: Zu den
Herrschaften Garsten und Gleink gehörten 23 bzw. 3 Höfe, zur Stiftsherrschaft
Seitenstetten 3 Höfe und 1 Hofstätte; an weltlichen Grundherrschaften waren
Burg Enns und Ennsegg mit je 2 Höfen, Sooß mit 4 Höfen und 1 Hofstätte,
Schenkenamt Steyr, Salaberg und Perwarth mit je 1 Hof vertreten. Das Jahr 1848
brachte den Bauern mit der Abschaffung der Grundherrschaft das volle Eigentum
an Grund und Boden. 1853 wurde auch St. Johann in den historischen Pfarrgrenzen
eine politische Ortsgemeinde. Seither lenkten gewählte Funktionäre die
Geschicke der Gemeinde, die 1970 immerhin bereits 89 Häuser und 426 Einwohner
zählte. Am 7.9.1970 beschloß der Gemeinderat unter dem Vorsitz des letzten
Bürgermeisters LAbg. Friedrich Platzer mehrheitlich, sich mit der Gemeinde St.
Peter i. d. Au zu vereinigen. Damit hörte St. Johann i. E., nach über 120
Jahren, als Ortsgemeinde zu bestehen auf.
Zu den schlimmsten Schlägen, die den Ort
in seiner Geschichte trafen gehörte die Pestepidemie von 1679, die in Weistrach
und St. Johann 48 Menschen hinwegraffte. Im Franzosenkrieg von 1805 wurde das
Dorf beim Durchzug des Feindes durch Vorspanndienste, Einquartierungen und
Plünderungen arg geschädigt.
III) Sehenswürdigkeiten
Spätgotische Kirche, um 1500 mit
2-schiffigem Langhaus, eingezogenem Chor und Strebepfeilern. Fächerartiges
Kreuzrippengewölbe. Im Altarchor verdecktes modernes Fresko (Kreuzigungsgruppe)
der Malerin Lydia Roppolt von 1960, das landesweiten Kunstskandal auslöste und
St. Johann zeitweise überaus bekannt machte.
Von Richtl (talk) - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 at, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16428912
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