Nr. 52 - 1. August 1976 - 5. Jahrgang
Getreidebau und -schnitt im Mostviertel zu
Beginn des 20. Jhdt.
(verfasst von Ob. Insp. Hans Hintermayr,
Kustos des Mostviertelmuseums in Stadt Haag)
Der Roggen - früher sagte man hierzulande
"Korn" - wurde teilweise im vorigen Jahrhundert, auch noch vereinzelt
zwischen 1910 - 1920, sehr oft auf das Brachfeld ("Ruhrland"), dann
aber immer häufiger auf das unmittelbar vorher abgeerntete Erdäpfelfeld
("Erpfifeld") angebaut, und zwar in der zweiten Septemberhälfte, jedoch
bis spätestens zum "Michaelitag".
Der Säer verwendete zum Anbauen den
"Saasumper". Es handelt sich dabei um einen aus Roggenstroh und mit
gespaltener Felberweide gebundenen Korb. Der Saasumper war ähnlich einer
nierenförmigen Wanne und hatte ein Volumen von rund 20 Liter. Er wurde
gefertigt wie die Brotsimperl, Bienenkörbe und Löschwassereimer. Dieser Korb
schmiegte sich durch seine relativ weiche und mondsichelartige Form gut an die
linke Hüfte des Säers an. Der Gurt, mit dem er den Korb trug, war ca. 5cm breit
und handgewebt. Man verwendete auch statt eines Gurtes einen verstellbaren
Lederriemen. Den Traggurt (Tragband) oder den Tragriemen legte man über den
Kopf auf die rechte Schulter, quer über Brust und Rücken und hängte den Gurt
linksseitig mit einem Ring in den Säekorbhaken ein. Mit der linken Hand hielt
der Säer den Korb- am außen angeflochtenen Griff, und mit der rechten Hand
verlief- das Säen ähnlich wie mit einem Säetuch. Der Vorteil des Saasumpers
gegenüber dem Säetuch liegt beim Nachfüllen. Der Säer brauchte nur den Korb
beim Gurtenring auszuhängen, ihn zu Boden zu stellen und zu füllen, um ihn
wieder mühelos an sich nehmen zu können. Pro Joch brauchte man 80 bis 100 kg
Saatkorn.
Nach dem Säen wurde die Saat eingeeggt.
Die Eggen haben Rinder oder Pferde gezogen. Der Roggen wurde mit der Egge
("Ägn") sozusagen nur "eing'streift"‚ das heißt nur in der
Längsrichtung. "'S Korn vaeggt ma glei" , es soll nicht zu tief in
den Boden kommen. Hierzu galt auch die Aussage: "Das Korn will in Himmel
sehn!". Beim Weizenbau wurde nach beiden Richtungen (Längs- und
Breitseite, man sagte auch "kreuz und quer" - doch stammt dies von
der ursprünglichen Brachfeldbearbeitung -) eingeeggt. "Da Woaz muaß ereggt
wern" sagt aus, er muss tief in den Boden gelangen.
Im Voralpengebiet z. B. in der
Kürnberger-Gegend, da sollte das Roggenfeld zu St. Michael (29 September) schon
"rot" sein; deshalb, dass der Roggen vor einem eventuellen frühen
Wintereinbruch noch richtig anwachsen konnte. Es ist ja bekannt, dass der
Roggen rot aufgeht bzw. sich die Keimlinge für kurze Zeit zu zarten roten
Blättern entfalten. Auf die Frage nach der Ursache dieser Farbe wusste der
Bauer zu antworten "Weil Kain seinen Bruder Abel auf einem Kornfeld
erschlagen hat" ..... das Blut wirkt hier zeichenhaft durch alle Zeiten!
Beim Roggenanbau war man sehr besorgt, dass
er in eine trockene Erde gelangte. So wartete man trockene Tag ab, und dies
hatte zur Folge, dass nach dem Eggen große Schollen hinterblieben. Diese
Schollen wurden vor dem Säen mit einem Schollenschlögl zerschlagen. Manchmal
arbeiteten gleich drei, vier oder mehr Personen auf dem Feld mit den Schlög'ln
Diese weniger interessante Feldarbeit wurde durch die eine gute Roggenernte
versprechende Aussage: "Große Scholl'n - große Loab Brot" in eine
gewisse Vorfreude gemünzt.
Für den Roggen- und Weizenbau wissen auch
heute noch die jungen Bauern den Spruch ihrer Väter: "'S Korn in die
Molt'n, d'Woaz ins Lackerl!" (Den Roggen in den trockenen, den Weizen in
den feuchten Acker.) Für den Weizenanbau wurde gewöhnlich der Kleeland-Acker
bevorzugt Dieser Acker musste mit Stallmist ausgiebig gedüngt werden, da der
Klee als vorherige Frucht dem Acker viel Nährstoffe entzogen hatte. Außerdem
braucht der Weizen einen besonders guten Nährboden.
Die Anbauzeit für den Weizen ist nach wie
vor um die Mitte des Oktobermonats. In Zeiten, als man noch keine Traktoren
hatte, zählte das Kleelandackern für die Zugtiere (Ochsen und Pferde) zu den
stärksten Ackerarbeiten. Deshalb und weil die Weizensaat feuchten Boden bevorzugt,
hat man bei einer trockenen Zeit bis zum Regen zugewartet. Dieses Zuwarten
hatte aber manchmal die Folge, dass man mit dem Weizenanbau in die Novembertage
geriet. Mir berichtete ein Bauer, dass sein Vater deshalb erst einmal am
Altjahrstag Weizen baute (natürlich eine Seltenheit).
Für die Beurteilung der Entwicklung des
Roggens im Frühjahr galt es als gutes Omen, wenn im Roggenfeld sich "zu
Georgi a Kran und zu Philippi a Mann verstecka kann". Ende Juni, zu Peter
und Paul, dachte man bereits an die herannahende Schnittzeit.
Denn der "Peterstag stößt dem Korn
die Wurzel ab", und eine Woche später klang es durch aller Mund: "Zu
Kilian, schneit jedermann", oder auch: "Kilian führt die Schnitter
an!".
Um die Jahrhundertwende hat man Roggen und
Weizen durchwegs mit der Sense (Grassense mit Mahdrute) geschnitten. Durch die
Mahdrute wurde bei "stehendem" Getreide vorgebeugt, dass die Halme
bzw. die Mahd über den Sengstkorb fiel; bei liegendem Getreide brauchte man
diesen Sensenzusatz nicht. Vereinzelt wurde das Brotgetreide noch bis zum
Ersten Weltkrieg mit der Sichel geschnitten. Zusätzliche Helfer kamen als
"Mandlschnitter" aus dem Land drüber der Donau aus dem Mühl- und
Waldviertel. Die Mahd wurde mit der Sichel zu Garben genommen (auf'gschobelt),
dann seitwärts auf die bereitliegenden Garbenbandln gelegt. Das Binden der
Garben war mehr eine richtige Männerarbeit, während das "Aufschobeln"
- sofern es vom eigenen Hauspersonal bewältigt wurde - eine ausgesprochene
Frauenarbeit war. Vor dem Abend wurden die Garben zu "Mandeln" in
Reih und Glied gestellt.
Ein "Mandl" bestand entweder aus
acht oder aus sechs Garben ("Achtermandl" überwiegend beim Roggen, es
gab aber auch bei beiden Getreidearten "Sechsermandln"). Der
vorläufige Bruttoertrag eines Getreidefeldes wurde nach der Zahl der
"Schöber" bewertet. Ein Schober entsprach 60 Garben. Von einem Joch
Roggenfeld konnte der Bauer zwischen 15 - 25 Schöber ernten. Der Reinertrag lag
zwischen 1000 kg bis 1400 kg pro Joch.
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