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Von der Motorisierung und der Entwicklung des motorisierten Verkehrs im Bezirk Amstetten

Nr. 73 - 1 April 1978 - 7. Jahrgang

VON DER MOTORISIERUNG UND DER ENTWICKLUNG DES MOTORISIERTEN VERKEHRS IM BEZIRK AMSTETTEN
(verfasst von Bürodirektor a. D. Anton Rohrhofer)

So berichtet das "Amstettner Wochenblatt" zum 28.8.1904: Ein Militärautomobil mit zwei "angehängten Lastwagen" (Anhängern) fuhr langsam und mit furchtbarem Getöse auf der Reichsstraße durch den Ort. Im Automobil saßen Offiziere, in den Lastwagen Unteroffiziere und Infantristen. Es besaß 12 Pferdestärken. Die Steigung des Krautberges schuf es dennoch nicht aus eigener Kraft. Man befestigte beim Wirt am Berg an einem elektrischen Mast ein Drahtseil und zog unter reger Anteilnahme der Bevölkerung das Gefährt hinauf.

1904 besaßen schon drei Amstettner ein Auto: offene dunkelrote Zweisitzer, auf hohen Holzspeichenrädern. Der kühne Unternehmer Maurermeister Johann Schreihofer hatte schon 1900 als erster in Österreich ein kohlengeheiztes Auto, ein "Dampflokomobil" erworben. Er war damit wohl nicht sehr zufrieden, denn meistens fuhr er sein weißes Motorrad.

Bis zum Ersten Weltkrieg waren nur etwa 5 - 10 PKW angemeldet. Verständlich, dass beim Auftauchen eines solchen Vehikels das Gefährt wie auch auf hohem Sitz der stolze Lenker Aufsehen erregten. Manchmal rannte die Jugend hinterher, was bei der bis 1930 erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 25 Studenkilometern leicht möglich war. Das Kennzeichen 1 von Niederösterreich hatte sich 1908 der Buchdruckereibesitzer Carl Queiser zu sichern gewusst. Er war in seiner Jugend ein vieldekorierter Meister im Radfahren und nun ein rasanter Autofahrer. Schließlich musste er seine ausgezeichnete Nummer dem Erzherzog Salvator auf Schloss Wallsee überlassen.

Lastkraftwagen waren ebenfalls nur wenige in Betrieb. Bereift mit Vollgummi und mitunter sogar mit Eisen, waren sie eine wahre Landplage mit ihrer großen Lärm- und Staubentwicklung, besonders bei Ortsdurchfahrten, die mit großen Granitwürfeln gepflastert waren. Erst in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg tauchten die ersten Luftbereifungen auf.

Ende des Jahres 1918 waren fahrbereite Kraftfahrzeuge eine Seltenheit, man konnte ihre Zahl an den Fingern abzählen. Aber schon kurz nach Kriegsende war der Trend zur Motorisierung zu erkennen, und Ende 1919 zählte man schon 74 angemeldete Kraftfahrzeuge. Ihre Zahl erhöhte sich innerhalb von 10 Jahren auf 503, und 1938 waren es etwas mehr als 3000. Zwar ging die Zahl während des Zweiten Weltkrieges auf 2151 zurück, stieg aber dann unaufhaltsam bis Ende 1977 bis auf 51020!

Der politische Bezirk Amstetten war und ist einer der meistmotorisierten in Österreich. In der letzten Zahl sind alle Fahrzeuge enthalten, also auch Zugmaschinen, Anhänger und Mopeds laut Amtsblatt 2/1977. 1919 wurde im Bezirk der erste Dienstkraftwagen eingestellt, der Wagen der Bezirkshauptmannschaft, ein "Kulissenschaltungs"-auto. Chauffeur war zeit seiner gesamten Beamtenlaufbahn, in der er zugleich Kanzleidienste versah, Franz Fadler. Fadler war schon in jungen Jahren als Chauffeur zu einem russischen Großfürsten in den Kaukasus gekommen. Im Wagen des Großfürsten hatte er 1912 auch den Zaren gefahren. Während seiner Dienstzeit in Amstetten war ihm, wie er später erzählte, ein starkes Erlebnis die Fahrt mit Bundeskanzler Dr. Dollfuß am 1.7.1934; der Kanzler besuchte eine Bauernkundgebung auf dem Sonntagberg und belobte ihn, Fadler, um seiner umsichtigen Fahrweise willen. Nur 3 Wochen
später wurde Dr. Dollfuß Opfer eines politischen Anschlags.

1921 begann auch die Motorisierung der Feuerwehren: Die freiwillige Stadtfeuerwehr Amstetten kaufte um den Preis von 950 000 Kronen eine motorisierte Autospritze. Das Geld wurde durch eine allgemeine Sammlung aufgebracht. Die großen Feuerwehren des Bezirkes folgten dem Beispiel alsbald nach.

Mit der Motorisierung eng verbunden war auch das Straßenwesen.
Die Fernstraßen waren mit dem Aufkommen des Bahnverkehrs ziemlich verödet. Aber 1911 schrieb das "Amstettner Wochenblatt": Durch den Automobilverkehr sind die Straßen wieder bedeutsam geworden. Hohe Herrschaften fahren nur mehr mit ihrem eigenen Kraftfahrzeug; in den ersten Hotels steigt ein internationales Publikum ab.

Aber die Straßen waren bis lange nach dem Ersten Weltkrieg in desolatem Zustand, im Besonderen die "Reichsstraße". Bei und nach Regenwetter gab es mit Ausnahme mancher Ortsdurchfahrten eine Unmenge von wassergefüllten Schlaglöchern, die das Fahren zu einer Art Slalom machten und an den Lenker größte Anforderungen stellten. Eine Fahrt Amstetten-Wien dauerte unter Umständen 3 1/2 bis 4 Stunden Die Schlaglöcher selbst wurden zumeist mit spitzem Schotter und Sand notdürftig ausgefüllt und waren nach kurzer Zeit wieder so schlimm wie vorher. Von den Kraftfahrern unbeliebte Strecken waren die bis zu ihrem Umbau sehr steilen Strengberge, der Engelberg bei St. Valentin, viele Stellen im Ybbstal, besonders im Bereich von Waidhofen a.d. Ybbs, die Große und Kleine Kripp bei St. Georgen a. R. und der Klosterberg bei Stift Ardagger. Sie sind nun alle ausgebaut. Gefürchtet war der Krautberg in Amstetten wegen seines starken Gefälles direkt ins Stadtgebiet hinein. Selbst nach der Entschärfung gab es hier zwei beträchtliche Unfälle: Ein mit Geschirr beladener Lastwagen zertrümmerte am Haus Dunkl; der Steueramtsdirektor Markus Piger fand dabei den Tod. Ein anderer verunglückter Lastwagen hatte 200 000 finnische Eier geladen; verletzt wurde niemand, der Schreiber dieser Zeilen rettete aber damals durch einen Sprung auf die andere Straßenseite sein Leben! Die zerdrückten Eier flossen als Bächlein in Richtung Hauptplatz und wurden von der Feuerwehr weggespült.

Vor der Fertigstellung der Autobahn war der Fernverkehr auf der Bundesstraße 1 bedeutend, 2000 Wagendurchfahrten in der Stunde waren Ostern 1966 die Spitze. Heute ist im Bereich von Amstetten der lokale Quell- und Zielverkehr beinahe ebenso groß! Auch die Straßen im Westen des Bezirkes sind sehr frequentiert.

Die Führerscheine für Autos hießen seinerzeit Lenkerzertifikate, für Motorräder brauchte man eine Fahrlizenz. Prüfungen wurden lange Zeit nur in Wien, St. Pölten und Amstetten abgehalten. Die erste "Privatanstalt zur Ausbildung von Kraftfahrzeugfühern" wurde 1934 Herrn Wilhelm Henke genehmigt. Das erste Automobiltaxameter hatte ab 1925 Mechaniker Richard Pazelt in Amstetten inne. Nach dem Ersten Weltkrieg schossen die Tankstellen aus dem Boden. Allein auf dem Hauptplatz von Amstetten zählte man vier. Sie mussten schließlich wegen Verkehrsbehinderung aufgelassen werden. Obligate Haftpflicht gab es seit 1908.


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