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Neuhofen an der Ybbs und Ulmerfeld im Türkenjahr 1683

Nr. 135 - 1. Juli 1983 - 12. Jahrgang

NEUHOFEN AN DER YBBS UND ULMERFELD
IM TÜRKENJAHR 1683
von Gerhard Smekal

Als der ehrgeizige Osmanenführer Kara Mustapha 1683 einen neuen Vorstoß gegen das Abendland unternahm, kam er am 14.7.1683 mit 200.000 Mann der tüchtigsten türkischen Truppen vor Wien an und begann die Belagerung. Während die Hauptmacht des Heeres wieder Wien umschloss, zogen einige tausend Tartaren in kleinen Haufen durch das Land, am rechten Donauufer aufwärts, über Neumarkt an der Ybbs gegen Amstetten. Am 18. Juli 1683 kam "das Mordbrenner Gesindel, die türkischen Hund und Rebellen", so wurden die Türken von der Bevölkerung damals bezeichnet, auch nach Neuhofen an der Ybbs.

Der damalige Schulmeister von Neuhofen "der edle und kunstreiche" Ferdinand Michael Pfeiffer, der selbst am Tage vorher mit seiner Familie nach Waidhofen an der Ybbs geflüchtet war, schrieb die Ereignisse in allen Einzelheiten nieder, welche noch überliefert sind. Zuerst stürmten die Türken in die Kirche: Da jedoch die Türen fest verschlossen waren, kletterten sie bei den Fenstern hinein. Das Frauenbild wurde beraubt und ausgezogen (Neuhofen war damals ein vielbesuchter Marienwallfahrtsort. Das Gnadenbild war wohl eine
Statue, die man, wie das Mariazeller Gnadenbild, überkleidet hatte); es wurden die Orgel beschädigt, zwei Fahnen gestohlen, an die 20 Truhen mit dem Hab und Gut der Marktbürger, das man zum Schutze vor den "Mordbrennern" in der Kirche sicher verwahrt glaubte, aufgebrochen und daraus alles gestohlen. Der Schaden betrug bei 800 Gulden. Die Sakristeitür, eine massive Eichentür, mit einem Querbalken verriegelt (diese ist heute noch vorhanden), konnten sie nicht aufbrechen, so blieben die Paramente erhalten. In den Pfarrhof, damals der Meierhof der Pfarrherrschaft, sind sie hineingeritten, haben die Türen eingehaut und in den Zimmern die Truhen und Kästen aufgebrochen. Ins Haberfeld des Herrn Pfarrers haben sie die Pferde getrieben und alles vernichtet. In mehreren Markthäusern haben sie großen Schaden angerichtet.

Schonungslos haben sie jeden, den sie erwischen konnten, ermordet oder in die Gefangenschaft abgeführt. Den Bader Thomas Lichtl schleiften sie aufs Feld mit, sie haben ihn ausgezogen und "blößen gehaut"; nach einigen Stunden ist er gestorben. Der Totengräber Mathias Haberreither wurde bis zur Haidenlachmühle zu Tode geschleift und ist dort begraben worden. Auch in den umliegenden Dörfern von Markt Neuhofen an der Ybbs wurden große Schäden angerichtet: in Niederneuhofen, Schlickenreith, Trautmannsberg, Miesberg, Staudenmühle, Ober- und Unterhömbach und Dippersdorf wurden Frauen und Männer von den Türken erschlagen oder in die Gefangenschaft verschleppt. Ein Bauer und eine Bäuerin von Abschleifing wurden in Fachwinkl an Bäume gebunden und mit Pfeilen getötet. Die Bäuerin Magdalena Erndl am Witzelsberg wurde von den Türken bis Wien mitgeschleppt und dort von ihrem Ehemann aufgefunden, sie ist auf dem Heimweg in Kemmelbach verstorben und in Neuhofen an der Ybbs beerdigt.

Von Neuhofen an der Ybbs sind die Türken über St. Leonhard am Walde nach Randegg weitergezogen. Überall bezeichneten ihr Weg Blut, Feuer und barbarische Grausamkeit Das Türkenmarterl in Fachwinkl, Gemeinde Neuhofen an der Ybbs, erinnert an diese schrecklichen Ereignisse vor 300 Jahren. Ulmerfeld selbst konnten die Türken wenig anhaben, da es durch die mächtige Burg und die Befestigungsmauern geschützt war. Außerdem hielten die Türken wegen der tagsüber im Markte gerührten Trommel Ulmerfeld für eine mit guter Besatzung versehene Festung, mit der sie sich als bloße Streifpartie nicht in Benennung einlassen konnten.

Aus dieser Zeit stammt die folgende "SAGE VON WILDEN GRABEN":
Zwischen Ulmerfeld und Winklarn zieht sich gegen die Ybbs ein Graben hin. Er ist mit Tannenbäumchen und Sträuchern bewaldet. Auf seinem Grund fließt ein Bächlein. Früher soll dasselbe unterirdisch geflossen sein. Im Jahre 1683 wurde die Frau des Turmwartes auf dem Turme bei der Fabiansleite als Hexe angeklagt, weil sie mehrere neugeborene Kinder in Wechselbälge verwandelt haben sollte. Auch viele Leute sollen sie, auf einem Besen sitzend, aus dem Schornstein herausfliegen gesehen haben. Die Angeklagte wurde zum Tode verurteilt und sollte tags darauf verbrannt werden. Als außerhalb der Ringmauer schon der Scheiterhaufen bereit stand und die angebliche Hexe an den Pfahl angebunden war, kamen Boten daher gerannt, drängten sich durch die gaffende Menge und berichteten, dass die Türken im Anzuge seien. Ein furchtbarer Tumult entstand. Die Hexe hatte man ihrem Schicksal überlassen. Doch die versprach, wenn sie freigelassen werde, die Türken zu verhexen. Sie wurde freigelassen und ging sogleich in der Richtung, wo der heutige Wilde Graben ist. Schon hörte man wildes Schreien, das von den Türken hergekommen sein soll. Jetzt gereute es die Richter, die Hexe freigelassen zu haben, denn sie meinten, sie habe aus Rache den Türken alles verraten. Doch auf einmal vernahm man ein fürchterliches Getöse und Lärmen, das nach einigen Minuten erst wieder verstummte. Als man in die Gegend, von wo der Lärm kam, ging, sah man, dass der Boden eingesunken war. Auf dem Boden des Grabens lagen viele Türkenleichen umher. Dieses soll das Werk der Hexe gewesen sein. Die Hexe wurde aber nie mehr gesehen.

Quellen:
Ernestine Angrüner: Die Türkenzeit im Bez. Amstetten in Österreichs Wiege S. 209
Alois Herbst: Gedenkschrift VS Ulmerfeld S. 36
G. Smekal Neuhofen/Y. S. 59

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