Nr. 138 - 1. Oktober 1983 - 12. Jahrgang
UNSERE AGRARWIRTSCHAFT IM WANDEL DER
LETZTEN FÜNFZIG JAHRE
(verfasst von Museumskustos Amtsrat Johann Hintermayr, Haag)
Der technische Fortschritt in den letzten
fünf Dezennien brachte auch für die Landwirtschaft tiefgreifende Veränderungen.
Denken wir zum Beispiel an die Mähmaschinen, die anstelle der Sensen traten,
oder an die Traktoren, die unsere Zugtiere ablösten. Es ist daher angebracht,
andeutungsweise darüber zu schreiben, wie vor rund fünfzig Jahren maßgebliche
Arbeitsabläufe vor sich gingen, die man heute nicht mehr kennt oder die in ganz
veränderter Weise erfolgen.
Der bäuerliche Arbeitstag
Der Bauer mit einer Hofgröße ab zirka 20
ha war lange nicht so von persönlich zu leistender Arbeit beansprucht als etwa
sein Nachbar mit der Hälfte dieses Grundausmaßes. Die Besitzer größerer
Wirtschaften wurden vereinzelt mit "Herr" anstatt mit
"Veda" (=Vetter) angesprochen und waren im Sozialstatus ungefähr den
Inhabern mittlerer Gewerbebetriebe gleichzusetzen.
Der damalige Kinderreichtum und das
Überangebot an hausfremden Arbeitskräften erlaubte den größeren Bauern zu
bestimmten Jahreszeiten einen gemütlicheren Tagesablauf. Dagegen gab es für die
Ehefrauen dieser Bauern wenig ähnliche Ruhepausen. Die tägliche Arbeitszeit
vieler Bauersfrauen war oft länger als die ihrer Dienstboten. Dieser für die
Frau des Hauses erschwerende Umstand leitet sich von der einstigen
patriarchalischen Hausordnung ab, wonach den Arbeitsgebieten der Männer in der
Regel größere Bedeutung beigemessen und daher mehr Arbeitshilfen beigestellt
wurden.
Bei kleineren Wirtschaften kannte man
diese Unterschiede weniger; hier wurde das partnerschaftliche Modell durchwegs
praktiziert, das heißt, dass der Ehemann damals schon weibliche Arbeiten wie
etwa Tierfütterung, Entmistung etc. verrichtete. Auch bei den Feldarbeiten war
ein ideales Zusammenarbeiten üblich. Das gegenseitige Beistehen hat sich
inzwischen überall durchgesetzt und verbesserte wesentlich die Situation der
Bäuerin.
In den dreißiger Jahren war die
Miteinbeziehung der Kinder zu landwirtschaftlichen Arbeiten gang und gäbe; sie
waren in vielen Fällen eine wertvolle Stütze zur Bewältigung mancher
Arbeitstage. Neben der Mithilfe bei der Futterzubereitung für die Haus- und
Zugtiere konnte man den zwölf- bis vierzehnjährigen Schülern auch bei den Feld-
und Erntearbeiten begegnen. Dies besonders dort, wo es an Dienstpersonal
mangelte. Das Interesse für manuelle Leistungen wurde schon in früher Schulzeit
geweckt - besonders dadurch, weil man die Bauernarbeit stark idealisierte - und
so entstand eine sehr persönlich bejahende Einstellung zur frühen Mitarbeit am
Hof.
Der Arbeitstag begann am frühen Morgen
(zwischen 4 und 5 Uhr im Sommer und zwischen 5 und 6 Uhr im Winter) mit den
Arbeiten im Stall, da jede Wirtschaft die Nutz- und Zugtierhaltung pflegte.
Besonderes Augenmerk legte man auf eine ertragreiche Milchgewinnung und
Schweinehaltung.
Das tägliche Futtermähen mit der Sense -
von Mai bis November - war Mannesarbeit und erfolgte zur selben Zeit, als das
Stallpersonal (Stalldirn, Schweizerin oder Schweizer, Saudirn und Roßknecht)
die Tiere betreuten. Nach dem "Heimführen" des Grünfutters, das bei
mittleren und größeren Wirtschaften der Pferdeknecht mit dem Hausknecht und
weiteren Hausleuten besorgte, war der erste bedeutende Tagesabschnitt
abgeschlossen, und man setzte sich zum wohlverdienten Frühstück. Sehr
gebräuchlich war am Morgen die Brotsuppe, teils auch die Rahm- bzw. die
"Sto(ß)suppn", aber auch eine Schüssel Kaffee mit eingebröckeltem
Brot kannte man in vielen Häusern.
Der weitere Tagesverlauf war nach
Jahreszeit saisonbedingt und verlief innerhalb eines Jahres unterschiedlich.
Die allseits beliebte "Halbmittagsjause" mit dem Speck oder dem
gekochten Geselchten, mit Kartoffeln, Brot und Most sowie Topfen, Butter, Eiern
und Molkereiprodukten an Fasttagen, blieb in den letzten fünfzig Jahren stets
das unumstößliche Jausengericht.
Das Mittagessen wurde inzwischen
wesentlich abwechslungsreicher und ausgiebiger. Seinerzeit bevorzugte man für
den Mittagstisch überwiegend hauseigene Produkte. Beliebt waren die
Fleischspeisen mit dem eigenen Gemüse. Während der gemüsearmen Zeit wurden als
Beilage das Sauerkraut und die eingesäuerten Rüben serviert. Der Speisezettel
kannte auch eine große Auswahl von Mehlspeisen, worunter neben Nockerln und
Knödeln die verschiedenen Strudelarten nirgends fehlten. Nach dem Zweiten
Weltkrieg machte sich der Haushalt mit dem Bäckerbrot vertraut, und man nahm
rasch Abschied vom hausgebackenen Schwarzbrot.
Das Melken in der Mittagszeit war neben
einer normalen Fütterung der Rinder und Schweine seinerzeit durchwegs
gebräuchlich. Heute werden die Kühe nur morgens und abends gemolken; auch die
Mittagsfütterung entfällt bei diesen Tieren. So reduzierte sich die Arbeit auf
zwei Mahlzeiten. Dies stellt eine spürbare Entlastung zugunsten des weiblichen
Hauspersonals dar.
Während der Winterszeit war der Tag
vorwiegend ausgefüllt mit der Holzbringung (Holzschneiden, -klieben und
.-schlichten)‚ der Tierfutterzubereitung (Futterschneiden, Rüben- und
Kartoffeldämpfen u.ä.m.) für Rinder, Pferde und Schweine, teils mit der
Flachsverarbeitung und der Schaubstroherzeugung. Weiters musste vieles, was zur
Erhaltung des Hausrates gehörte, während des Winters angefertigt werden. Hierzu
zählten zum Beispiel auch das Besenbinden und das Simperlflechten. Die
Nachmittagsarbeit, selbst an Erntetagen, wurde durch die Nachmittagsjause
zwischen 15 und 16 Uhr, die in der Regel aus denselben Speisearten wie der
Vormittagsjause bestand - eventuell zusätzlich mit einem Häferl Kaffee - , für
eine Viertelstunde unterbrochen. Abends, zwischen 19 und 20 Uhr, gab's nur mehr
leichtere Kost, wie das beliebte Grießkoch, im Herbst das Apfel- und
Zwetschkenkoch, weiters die Einbrennsuppen und andere suppenähnliche Speisen.
Heute wird durchwegs die Nachmittagsjause unmittelbar vor der abendlichen
Tierfütterung eingenommen und dient meistens auch als Abendessen. Diese
Umstellung ergibt sich dadurch, dass die Bäuerin heutzutage
wegen der Stallarbeit keine Zeit für die
Zubereitung eines eigenen Nachtmahles erübrigen kann.
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