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50 Jahre Gymnasium in Amstetten

Nr. 193 - April 1988 - 17. Jahrgang 

50 Jahre Gymnasium in Amstetten
(von Direktor Dr. Norbert Arbinger)

Die Vergangenheit nicht vergessen - Gymnasium im Aufbau

Der vorliegende Abriss von Geschichte und Aufgabe des "Amstettner Gymnasiums einst und jetzt" dient der Standortbestimmung dieser Bildungsinstitution nach 50 Jahren Dienst an der Bevölkerung des Mostviertler Kulturraumes. Eine ausführliche Darstellung zu dieser Problematik werden Sie der FESTSCHRIFT der Schule entnehmen können, die anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens im Juni 1988 erscheinen wird. Für die Bereitstellung des Kerns der historischen Hinweise sei daher bereits an dieser Stelle besonders dem Chefredakteur der Festschrift, Kollegen Mag. Robert Hinterndorfer, und seinen zahlreichen Mitarbeitern aus dem Lehrkörper, der Elternschaft und der Bevölkerung herzlich gedankt.

Die Gründung einer höheren Schule in Amstetten ließ infolge des Geldmangels der Zwis­chenkriegszeit bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten auf sich warten. Der damalige Bürgermeister, der Apotheker Mag. Wolfgang Mitterdorfer (1897-1945), erwirkte in Zusammenarbeit mit Landesschulinspektor Dr. Sepp Domandl (geb. 1903) die Erlaubnis, eine "Städtische Oberschule für Jungen" (mit Klassen für Mädchen im Volksschulgebäude in der Preinsbacher Straße zu eröffnen. Am 13. Oktober 1938 fanden sich 130 Schüler und Schülerinnen der ersten bis dritten Klassen zum feierlichen Schuljahrsbeginn ein.

Die neuen Machthaber entsprachen damit dem seit der Stadterhebung Amstettens (1897) gehegten Wunsch und dem dringenden Bedürfnis nach Errichtung einer staatlich organisierten höheren Schule in der größten Stadt des Mostviertels, wozu noch kam, dass für die 1938 aufgelassenen kirchlichen Bildungsstätten (Stiftsgymnasium Seitenstetten, Institut der Schulschwestern in Amstetten) ein Ersatz nötig wurde.

Schon im nächsten Jahr erfolgte nach einem Besuch des Ministerialrates Heckel aus Berlin die Verstaatlichung der Schule; die Gemeinde trug jedoch weiterhin einen großen Teil der Kosten der "Staatlichen Oberschule für Jungen in Amstetten". Um die Schule unterzubringen, errichtete die Stadtgemeinde auf Betreiben des Bürgermeistes in weniger als sechs Monaten einen Be­helfsbau in der Elsa-Brandström -Straße, der zwar in Blockwandbauweise ausgeführt wurde, dessen Dauerhaftigkeit aber heute noch einer Volksschule und einem Kindergarten zugutekommt. Die Kriegsereignisse störten den Unterricht empfindlich. Lehrer und Schüler wurden zur Wehrmacht einberufen; viele gerieten in Kriegsgefangenschaft oder fielen an der Front; gegen Kriegsende diente das Schulgebäude als Lazarett; Luftangriffe und Raum- und Brennstoffmangel zwangen zu Unterbrechungen des Unterrichtsbetriebes. Die anfängliche nationale Begeisterung des Direktors, des Schriftstellers und späteren Literaturpreisträgers Othmar Rieger (1904-1966), wich bald einem Realismus, der im Beschaffen des für die Aufrechterhaltung des Schullebens Nötigsten seine Bewährung sah. Zur ersten Reifeprüfung konnte im Februar 1944 kaum die Hälfte der Kandidaten erscheinen; die übrigen standen im Kriegseinsatz und erhielten den "Reifevermerk".

Das Schuljahr 1944/45 bestand fast nur aus Versuchen, eine Art Notunterricht in Gang zu bringen.

[….]

Ganz allgemein wird dies durch die Gesetzwerdung bzw. Verwirklichung der "Oberstufenreform der AHS" demnächst geschehen müssen. Hier sind besonders die Wahlmöglichkeit von Pflichtfächern, die Betonung des Projektunterrich­tes und die Reform der Reifeprüfung (Fachbereichsarbeit) Beiträge zu einer zukunftsorientierten Bildungspolitik.

Darüber hinaus wird die Bewältigung der Erfor­dernisse der "Informationsgesellschaft" von morgen zentrales Anliegen unserer Schule sein. Diese technische Revolution wird die Qualifikation von vielen Menschen ändern. Bereits 1990 werden rund 70 Prozent aller Beschäftigten über ein informations - und kommunikationstechnisches Wissen verfügen müssen. Mitte der 90er Jahre wird die Mikroelektronik nach Schätzungen der OECD in rund 50 Prozent der Arbeitsplätze von Produktion und Gewerbe Eingang gefunden haben. Um die Titelgeschichte des Amerikanischen Magazins "Newsweek" aus jüngster Zeit ("Die Europäer bzw. erst recht die Österreicher werden eines Tages nur noch jene sein, die den Amerikanern und Japanern sagen, welchen Rotwein man wann mit welcher Temperatur zu welcher
Speise trinken soll") nicht wahr werden zu lassen, haben wir mit Beginn des Schuljahres 1987/1988 das Projekt "INFORMATIONSGYMNASIUM AMSTETTEN" gestartet, wodurch ab der 3. Klasse Maschinschreiben, Textverarbeitung und Informatik schwerpunktmäßig vermittelt wer­den soll. Trotzdem wird es weiterhin Grundvoraussetzung bleiben, dass die traditionellen Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) und die Grundlagen der christlich-abendländischen Kultur (Religion, Latein, Philosophie usw.) erfahren, er­lernt bzw. beherrscht werden. An Schulformen werden jedoch in Zukunft damit sowohl ein REAL- als auch ein GYMNASIUM wieder erfor­derlich werden. Diesen Zielen werden auch Überlegungen in Bezug auf ein Angebot ganztägiger Betreuungsformen auf freiwilliger Grundlage fol­gen müssen, wie sie etwa bisher im Rahmen von Tagesheimschulen verwirklicht worden sind.

Dies sollte sicher nicht zum Zwang für alle Schüler werden, sondern das Bildungsangebot einer Schule mit Fahrschülern auf freiwilliger Grundlage erweitern und mit der Möglichkeit einer Mittagsverpflegung verbunden sein. Um die für die Bewältigung dieser neuen Ziele notwen­digen Rahmenbedingungen zu schaffen, hat die Direktion schon vor Jahren begonnen, eine etappenweise GENERALSANIERUNG und ADAP­TIERUNG des nun schon mehr als 20 Jahre alten Schulgebäudes einzuleiten:

Begonnen wurde 1983 mit dem naturwissenschaftlichen Bereich im 2. Stock des Mitteltraktes;
1984 kam der EDV/Informatik-Saal 1 dazu,
1986 die Sanierung von Schulhof, Eingängen und Hartplatz;
1987 die Sanierung der Klassenräume und Zentralgarderobe im O-Trakt, der Gänge und eines
Teiles der Verwaltung; die Stadtgemeinde half mit der Errichtung eines Umkehrplatzes;
1988 ist die Errichtung neuer Sonderunterrichtsräume im Gange oder vorgesehen: Maschinschreiben/Textverarbeitung, EDV/Informatik 2, Werkerziehung Knaben, Zentralbibliothek, 2 Musiksäle, neuer Chemie-Komplex.

Unbedingt notwendig wären weiters die Generalsanierung des Flachdach es (jährlich mussten bis zu  300.000 Schilling  für Notreparaturen aufgewendet werden), der Turnsäle, der Abschluss der Arbeiten im Verwaltungsbereich, die Erneuerung der gemeinsam mit der HBLA benutzten Lehrküche sowie des Sportplatzes, aber auch die Errichtung eines Liftes für die Behindertenbetreuung ("Gipsfüße" müssen öfters bis in den 2. Stock getragen werden) und den Transport von Geräten und Lehrmitteln.

Wenn auch die Liste der noch zu bewältigenden Aufgaben für das Gymnasium Amstetten groß erscheint, so hoffe ich doch, dass wir gemeinsam Eltern, Schüler und Lehrer in bewährter Zusammenarbeit die Probleme der Zukunft meistern können.


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