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Überfall auf napoleonische Truppen auf Rast in Amstetten im Jahr 1809

Alte Ansicht vom Markt Amstetten von Schweickhardt 1838
Im Jahr 1809 kamen französische Truppen (verbündete Sachsen) auch durch den Raum Amstetten. Dabei kam es zu einem nächtlichen Überfall der Österreicher auf die Truppe. Im folgenden konnte ich 3 Berichte finden, die über dieses Ereignis berichten.


Laut Bericht von Schweickhardt 1838 über Amstetten fand dieser Vorfall am Vortag vor Fronleichnam, also am Mittwoch dem 31.05.1809, statt (Text im Original):

"Im Sommer des Jahres 1809 lag eine französische Colonne, aus 300 Mann bestehend, duch längere Zeit hier im Standquartier. Inzwischen marschierte am Vorabende des Frohnleichnamstages die Avantgarde des säschsischen Corps, 700 Mann stark, hier ein, und lagerte bei heiterer mondheller Nacht auf dem Marktplatze. Um Mitternacht überrumpelten ungefähr 40 Mann kaiserliche Soldaten, unter Anführung des Officiers Meminger, das sächsische Lager, stießen die Wachen nieder, und versprengten den Feind nach allen Richtungen; nebstdem wurden demselben 8 Mann getötet, bei 50, worunter auch ein sächsischer Major, blessiert, dann 8 Mann und 17 Pferde gefangen weggeführt. Von den Österreichern blieb kein Mann auf dem Platze, und sie gingen alsbald wieder bei Ardagger, welches anderthalb Stunden von Amstetten entfernt liegt, über die Donau zurück nach Grein, woher sie gekommen waren. Am Frohnleichnamtage kam das ganze sächsische Corps unter dem Commando des Generals Bernadotte hier an, und es wurden, aus Rache wegen des nächtlichen Überfalles, 24 um Amstetten liegende Bauernhöfe der Pfarre Amstetten angezündet; Amstetten selbst aber blieb, trotz der fürchterlichsten Drohungen, dennoch verschont."

Quelle:  Darstellung des Erzherzogtums Österreich unter der Enns, 10. Band, Viertel Ober-Wienerwald, Wien 1838, S. 184-185




Bereits 1811, 2 Jahre nach dem Vorfall, noch vor der Wiederherstellung der alten Ordnung im Wiener Kongress 1814-1815, wurde dieser Vorfall auch von den Sachsen in einem Buch erwähnt:


Überfall in Amstetten im Jahr 1809


Der Einsender der gegenwärtigen Erzählung hat sich oft gewundert, daß die folgende Begebenheit fast durchgehend  von öffentlichen Blättern mit Stillschweigen übergangen worden ist, ungeachtet sie gewissermaßen als Aktenstück zur Charakterisierung des Geistes dienen kann, welcher damals die österreichischen Untertanen belebte.


Das sächsische Armeekorps kam zu Anfang des Juni 1809 nach der Affäre bei Linz in der Gegend von Amstetten an. Das zerstreute Corps des Feldmarschallleutnants  Kollowrath hatte sich auf das linke Donauufer gezogen, und nur einzelne versprengte Haufen irrten noch auf dem rechten herum. Der sächsische Vortrab, welcher aus einem Grenadierbataillon, und einem Detaschement sächsischer Karabiniers bestand, rückte in dem Städtchen Amstetten ein. Schon 1805 wurde es durch ein mörderisches Gefecht zwischen der russischen Avantgarde und dem Armeekorps des französischen Marschall Mortier sehr merkwürdig. Auch jetzt verschonte es der Dämon des Kriegs nicht, es vergaß sich, und übernahm selbst eine Rolle in dem großen Trauerspiele, die ihm leicht sehr verderblich hätte werden können.


Das Groß der sächsischen Kavallerie und Infanterie biwakierte und blieb einige Stunden hinter Amstetten zurück. Die Einwohner des Städtchens hielten den schwachen feindlichen Haufen vielleicht für eine bloße Streifpartie, welche durch eine geringe Anzahl Österreicher leicht aufgehoben werden könnte. Ihre in der Nähe befindlichen Landsleute erhielten daher sogleich Nachricht von der eingerückten schwachen Besatzung. Die Sachsen hatten die daselbst befindlichen Tore nur schwach besetzen können, und man konnte in der Nähe eines Corps von mehr als zehntausend Mann überhaupt kein bedeutendes Corps Österreicher vermuten. Man glaubte sich gegen jeden Überfall vollkommen gesichert. Die Sachsen waren bei den Bürgen einquartiert, und hatten sich der so lange entbehrten Ruhe überlassen. Mitten in der Nacht entstand Lärmen, und alles eilte sogleich zu den Waffen. Es verging einige Zeit, ehe man sich gehörig formierte. Während derselben waren österreichische Jäger schon in die Stadt gedrungen. Die Schmach von Linz war bei ihnen noch in frischem Andenken, und sie sollte hier ausgelöscht werden. Fünfzehn Grenadiere mit einem Offizier stellten sich ihnen an dem Tore, durch welches sie eindrangen entgegen, und wehrten sich mit Löwenmut. Sie konnten nicht fliehen, aber sie wußten zu sterben. Sie wurden sämtlich niedergestoßen, und bedeckten am Morgen mit ihren Leibern noch die Stellen, wo sie gefochten hatten. Ihr heldenmütiger Anführer hatte ihr Schicksal mit ihnen geteilt. Er heißt, wenn ich nicht irre, Schäfer, und bewies hier, daß er den beiden Orden, die er sich früher erworben hatte, würdig gewesen war.


Die sächsischen Reiter, welche auf den ersten Lärmen sogleich zu ihren Pferden eilten, und bei einem so regellosen Gefecht unstreitig der Sache einen anderen Ausschlag gegeben hätten, fanden die Ställe größtenteils fest verschlossen, und konnten ihren bedrängten Kameraden nicht zu Hilfe kommen. Die Österreich blieben Sieger, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Bewohner der Stadt selbst in der Dunkelheit Anteil an dem Gefecht genommen haben. Gewiß ist es, daß das Blut, welches in dieser Nacht ohne Zweck vergossen wurde, allein auf ihre Rechnung kommt.


Man hatte sächsischerseids indessen gleich zu Anfange des Überfalls Eilboten in das rückwärts befindliche Lager geschickt, und Hilfe verlangt. Alles brach hier sogleich in Masse auf, konnte aber erst nach Verlauf mehrerer Stunden das Städtchen erreichen. Die Treulosigkeit der Einwohner, die hier so viel Unheil angerichtet hatten, war Schuld an der großen Erbitterung, die sich der Sachsen bemächtigt hatte. Sie stürzten sich wütend in die Häuser, um teils verborgene Österreicher, teils ihre fehlenden Kameraden aufzusuchen. Ein Augenzeuge dieser Begebenheit erzählt, daß er selbst in das Haus eines Stallmachers gekommen sei, wo mehrere sächsische Grenadiere von der Garde den Wirt in der Mitte hatten, und ihn unter beständigen Faustschlägen fragten, wo der sächsische Karabinier, der hier im Quartier gelegen hätte, und dessen Pferd man im verschlossenen Stall fand, hingekommen sei? In der größten Todesangst gestand er endlich, daß er ihn beim ersten Lärmen im Schlafe ermordet, und bereits im Keller verscharrt habe. Der Meuchelmord ist dem deutschen Charakter fremd – er ist ihm ein Greuel, und dieser Zug beurkundet allein seine Abkunft von jeden Germanen, deren hohe Begriffe von der Heiligkeit der Gastfreundschaft Tacitus so sehr rühmt. Die Wut über eine so grauenvolle Tat hatte daher bei den sächsischen Gardisten keine Grenzen: Sie fielen ergrimmt über ihn her, und konnten nicht eher besänftigt werden, als bis er seiner flehentlichen Bitten ungeachtet sein Leben unter ihren herkulischen Fäusten geendigt hatte.


Aus der darauf folgenden Untersuchung ergab sich, daß mehrere bedeutende Personen an dieser Verräterei Teil gehabt hatten. Sie waren indessen klug genug, zeitig die Flucht zu ergreifen, und sich in den nahe gelegenen Wäldern zu verbergen. Das sächsische Armeekorps trat kurz darauf seinen Marsch in die Gegend von Wien an, und der Erzähler war daher nicht im Stande den Erfolg jener Untersuchungen zu erfahren.

Es sei erlaubt, dieser einfachen Erzählung noch einige kurze Bemerkungen hinzuzufügen – Immer ist das Verfahren der Bewohner von Amstetten unklug und sogar verabscheuungswürdig, und die Strafe die sie getroffen hat, sehr gelinde zu nennen. Wenn es französischerseids nicht so geahndet wurde, als es verdiente, wenn Amstetten nicht als ein schauderhaftes Denkmal gerechter Strafe in Schutt und Trümmern nur noch vorhanden ist, - so ist dieses keineswegs ein Beweis von Schwäche, sondern von dem humanem Geiste, welcher die neuere Kriegskunst charakterisiert, und sich so häufig bewährt hat. Immer bleibt es ein Verbrechen, wenn der friedliche Bürger, ohne von seiner Regierung unter die Waffen gerufen zu sein, sich eigenmächtig das Recht anmaßt, sich gegen den Feind zu setzen. Die Folge davon kann nie eine andere als sein Untergang und die Zerrüttung alles bürgerlichen Wohlstandes sein. Bedenkt man hingegen auf der anderen Seite, welcher Mittel sich die österreichische Regierung bedient hatte, ihre Untertanten für sich zu gewinnen, und gegen den gemeinschaftlichen Feind zu enthusiasieren; wie jeder Einzelne sich als einen integrierenden Teil des Ganzen ansehen mußte; wie sehr das Interesse eines jeden in das Ganze verflochten war; wie hoch man das Glück angeschlagen hatte, der österreichischen Monarchie anzugehören, welche Opfer jeder hatte bringen müssen, und welche segensreiche Folgen man sich von einem glorreich beendigten Kriege in dieser Zeit versprechen zu können glaubte; so würde wenigstens ein geübter Sachwalter hierinnen manchen Milderungsgrund finden. Sie bedurften zum Glück eines solchen Sachwalters nicht. Das Urteil, welches der große Schiedsrichter von Europa dadurch, daß der Vorfall beinahe völlig ignoriert wurde, fällte, beweist, daß er die Beirrten mehr bedauerte, und in ihrem sträflichen Beginnen einen übel geleiteten Patriotismus schonen wollte, welcher mit leichter Mühe für edlere Zwecke benutzt werden konnte."

Quelle: 
19.  Brief – Abmarsch von Linz, Enns – Dieser Ort war zu einer Hauptfestung bestimmt. Unsere Avantgarde wird in Amstetten überfallen, Marsch dahin.


Amstetten, den 2. Juni 1809 - S. 75


Unser nächstes und nunmehriges Nachtquartier Amstetten, wurde uns schon von unseren Hauswirten so wenig interessant beschrieben, daß unsere Erwartungen nicht sonderlich gespannt darauf waren, und kurz vor unserem Aufbruch von Enns lief noch eine Nachricht ein, die uns vollends mit gehässigem Widerwillen gegen den armen Marktflecken erfüllte. Ein Grenadierbataillon und ein Paar Escadronen Cavalerie, die man anfangs nach Steyr und später nach Enns detaschiert hatte, waren als Avantgarde unserer Corps um eine Marschlänge vorangeschoben und in der eben vergangenen Nacht in Amstetten durch ein feindliches Commando überfallen worden. Ein nächtlicher Überfall, wenn er gelingt, ist für den leidenden Teil jederzeit eine verdrießliche Sache, dieser hier war nicht ohne Verlust abgegangen. Drei Offiziere waren tödlich blessiert, und an fünfzig Mann tot, verwundet oder gefangen. Die Sache machte viel Aufsehen, und die Urteile waren sehr geteilt, umso mehr, a es an den näheren Aufschlüssen fehlte. Jeder kombinierte sich die Umstände nach Gutdünken, und wenige waren ohne die selbstgefällige Überzeugung, daß ihrer Wachsamkeit, ihrer Umsicht und ihren Anstalten so etwas nicht würde begegnet sein. „So ist es jederzeit im Kriege“, sagte mein Hauptmann. „Wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen; im Großen wie im Kleinen, ist jeder so lange unüberwindlicher Feldherr, und jede Kunst so lange untrüglich, bis sie die Erfahrung Lügen straft.“ – ich will dir den Vorfall gleich erzählen, wie ihn mir ein vertrauter Freund später mitgeteilt hat, der als besonnener Augenzeuge zugegen war.

Amstetten ist ein offener Marktflecken, etwa eine Stunde von der Donau, und dicht am Fuße eines Bergrückens gelegen, dessen Gebüsche, Schluchten und Hohlwege unmittelbar an die Stadt stoßen. Etwa um Mitternacht setzten die feindlichen Truppen über den Strom, schlichen sich unentdeckt bis an die Gärten und Eingänge des Fleckens, stachen die ausgestellten Vorposten nieder, und drangen mit großen Geschrei auf den Markt, wo ein Teil der Infanterie biwakierte. Selten unternimmt man einen Überfall im eigenen Lande, ohne ein Einverständnis mit den Einwohnern. Man behauptet, dies sei auch hier der Fall gewesen; mehrere österreichische Jäger hätten sich schon am Abend in den nahegelegenen Häusern versteckt gehabt, und eigentlich sei es drauf abgesehen gewesen, den französischen Kommandanten De La Place zu fangen, der mit hundert Mann Kavallerie schon seit mehreren Tagen im Orte stand. Dem sei wie ihm wolle. Als spät abends die Sachsen vom weiten Marsche ermüdet einrückten, bat sich der kommandierende Offizier von dem französischen Kommandanten einige Auskunft aus, über die Sicherheit der Gegend, die Nähe oder Entferndung des Feindes, die Örter, wo es dienlich sei Feldwachen auszusetzen usw. Dieser versicherte ihm, es sei unnötig, besondere Vorsichtsmaßregeln zu treffen, denn es sei auf zehn Meilen in die Runde kein Feind zu sehen, er stehe seit mehreren Tagen hier mit seinem Kommando auf gleiche Weise, ohne die mindeste Veranlassung zur Besorgnis zu haben, und als der sächsische Offizier dennoch auf seinen Sicherheitsmaßregeln beharren zu wollen schien, wusste er der Sache einen so lächerlichen und spöttischen Anstrich zu geben, dass dieser endlich im Vertrauen auf die größere Kriegsgewohnheit des Franzosen seiner besseren Überzeugung Gewalt antat, den größten Teil der Mannschaft und besonders die Kavallerie in die Häuser einquartieren ließ, und sich mit Ausstellung einiger einzelnen Infanterie-Vedetteu an den Ausgängen des Fleckens begnügte. Wer wollte nicht seinen Leuten die möglichste Ruhe und Bequemlichkeit gönnen, so lange keine Ursache vorhanden ist, sich ihrer um ernster Zwecke wegen zu entschlagen? Auf diese Weise ward der Überfall möglich. Als der Feind eindrang, eilte zwar alles aus den Häusern, allein es gehörte denn doch einige Zeit dazu, bloß um sich zu sammeln. Manche Reiter konnten nicht zu ihren Pferden, andere hielten sich mit Packen auf, noch andere wurden von den Franzosen, die mit ihnen in einem Quartiere lagen, in den Ställen zurück gehalten, weil ihnen diese versicherten, wenn der Feind bereits eingedrungen wäre, sei es Maxime, sich ganz ruhig und versteckt zu halten. Der französische Kommandant  De La Place selbst ward durch diese Maxime gerettet. Der sächsische Befehlshaber, nur von zwei  Leuten umgeben, sprengte auf den Markt, und ward sogleich vom Pferde geschossen. Ein paar anderen Offizieren erging es auf gleiche Weise. Die Infanterie hatte während dessen einige Straßen besetzt und schoss sich wacker mit dem Feinde herum. Die Kavallerie sammelte sich vor dem Tore. Ein sächsischer Offizier, der mit einem Kommando Kavallerie detachiert gewesen war und sich etwas verspätet hatte, kam glücklicherweise  um diese Zeit in die Nähe des Fleckens. Wie er das Schießen hörte, beeilte er sich umso mehr, ließ zum Angriffe blasen, und jagte den überraschten Feind in wenigen Minuten aus der Stadt. Man beschloss anfangs, den Feind zu verfolgen, um sich an ihm zu revanchieren, allein die Überlegung, dass man weder das Terrain, noch seine Stärke und Hinterhalte kenne, machte, dass man diesen Gedanken bald fahren ließ; so war denn die Geschichte beendigt und um 3 Uhr morgens der Feind wieder auf der Donau eingeschifft.  Auch von ihm waren mehrere Leute gefallen; am Morgen aber fand man sie weggeschafft, und alle Einwohner des Örtchens geflüchtet.

Auch unser Marsch gehörte nicht zu den angenehmsten. Amstetten ist zwei starke Poststationen von Enns entfernt; der Weg läuft eintönig auf langen Sand- und Lehmhügeln hin, die von beiden Seiten die Aussicht noch beschränken; die Sonne brannte heiß, der Staub war unerträglich, in den menschenleeren, halb verbrannten Dörfern war oft nicht ein Tropfen Wasser zu finden. Auf dem halben Wege ward auf der Chaussee (=gut ausgebaute Landstraße) etwa eine Stunde angehalten. Ich ritt, in Begleitung einiger Offiziere, nach einer unfern im Grunde gelegenen Mühle, in der Erwartung, dort wenigstens trinkbares Wasser zu finden, allein vergebens; die schmutzige Flüssigkeit des sumpfigen Mühlbaches taugte kaum für unsere Pferde und ein kurzer Schlaf auf grünem Rasen im Schatten junger Erlen, war die ganze Erquickung, die wir davontrugen.

Die Sonne stand schon ziemlich tief am Horizont, als wir in Amstetten anlangten. Die Truppen wurden rings um die Stadt in Biwaks gelegt. Das Hauptquartier rückte hinein. Die kleinen finsteren Wohnungen waren größtenteils ausgeplündert, der ärmliche Hausrat zerschlagen. Auf den kleinen Bänken vor den Haustüren war noch der freundlichste Aufenthalt; dort verzehrte jeder den kleinen Vorrat an Lebensmitteln, den er vorsorglich mit sich gebracht, und ließ sich erzählen von den Vorgängen der verwichenen Nacht. Ein alter graubärtiger Karabinier mit verbundenem Kopfe und einem Bajonettstich im Unterleib, lief auf dem Markte umher, und erzählte so wohlgemut und mit so lebhaften Gestikulationen von seinen Schicksalen, daß man hätte glauben mögen, ihm sei kein Haar gekrümmt worden. So habe ich in Polen einen Offizier gekannt, einen Herrn von Trszczynski, der bei Witkowice an der Bzuera im Revolutionskriege noch eine Schanze attackierte und eroberte, nachdem er beim ersten misslungenen Angriff bereits einen Schuss durch den Leib bekommen hatte, und bei den Russen  findet man es häufig, dass schwer Blessierte sich noch mehrere Meilen zu Fuß weiter schleppen, meist deshalb, weil sie lieber auf freiem Felde, als in den Lazaretten verschmachten mögen. Erst als es finster ward, dachten wir daran, unser Nachtlager zuzubereiten. In dem Häuschen, das einige von uns als Quartier angewiesen war, fand sich weder Stuhl, noch Tisch, noch Stroh, bloß ein irrer Mensch, der in Verwahrsam gebracht werden musste. Daher entschlossen wir uns kurz, uns hinter dem Hause unter den Obstbäumen eines kleinen Gartens, in dem unsere Pferde standen, in das Gras hin zu strecken. Es wurden Feuer angemacht, der Himmel war heiter, und man hätte da ganz wohl ruhen mögen, wenn der Garten – kaum mit niedrigen Stäben eingezäunt – nicht unmittelbar an einen Fahrweg gegrenzt hätte, der in das nahe Gebüsch führte, aus dem man bequem uns und unseren Pferden, durch die Wachtfeuer noch kenntlicher gemacht, hätte auf den Kopf schießen können. War gleich ein förmlicher neuer Überfall wohl auf keine Weise zu befürchten, wegen der zu großen Übermacht, die jetzt hier versammelt stand, so war uns doch die Erinnerung von gestern Nacht zu nah gelegen, um uns so ganz sorgenlos dem Schlafe hinzugeben, auch will man auf dem Marsche hierher feindliche Patrouillen  wahr genommen haben. Und obgleich in unserem ganzen kleinen Marstalle, keine milchweißen Pferde des Rhesus standen, so war es doch so unmöglich nicht, dass sich in der Nacht eine Handvoll Duodez-Ulyssen und Diomeden an unser offenes, der Donau zugekehrtes Lagerplätzchen schleichen und uns einigen Unfug anrichten konnte.

Zumindest hatten wir uns mit der, für ganz untrüglich gehaltenen, Erwartung geschmeichelt, heute Morgen weiter zu marschieren, aber auch diese Hoffnung ist getäuscht worden. Die Division Dupas, welche von heute an zur Avantgarde bestimmt ist, soll einen Vorsprung machen und zu dem Ende ist es nötig, dass das Groß des Korps und folglich auch das Hauptquartier noch einen Tag allhier verweilt. – Der Marschall, der heute Abend ebenfalls vorangeht nach Ybbs, hat die Nachricht von dem Überfall eben nicht gnädig aufgenommen. Ganz spät ist er gestern Abend hier eingetroffen, und, noch mehr erzürnt durch eine allerdings sehr große Anzahl von Nachzüglern, welche die brennende Hitze und der weite Marsch zu Wege gebracht hatten, soll er sehr entrüstet gewesen sein, und die Folge davon ist ein scharfer Parolbefehl gegen alles Marodieren. Aus jedem Bataillon bleibt ein Unteroffizier nebst einigen Mann rückwärts, um alle Traineurs heran zu treiben; niemand darf ohne schriftliche Erlaubnis seines Hauptmanns sich von der Kolonne entfernen oder dahinten bleiben. Wer sich ohnedem in bedeutender Entfernung rückwärts oder seitwärts seines Regiments betreffen lässt,  oder sich gar irgendeine Unfolgsamkeit und Widersetzlichkeit gegen die Arrieregarden zu Schulden kommen lässt, auf den soll ohne weiteres, als auf einen Ausreißer (fuyard) Feuer gegeben werden. –

Ich muss schließen, liebe Schwester. Der Kurier, welcher heut abgesendet wird, erwartet meinen Brief. Leb wohl.


20. Brief – Nachtmarsch aus Amstetten nach Melk. Halt vor Kemmelbach, Marsch nach St. Pölten, Befehl zum Ausruhen daselbst. -  S. 87



Melk, den 3. Juni 1809


Es sind zwar kaum 24 Stunden verflossen, seit ich meinen letzten Brief an dich beendigt habe, aber ich muss doch schon wieder die Feder zur Hand nehmen, und dies im eigentlichsten Sinne, um mir die Zeit verstreichen zu machen. Zum Umherlaufen fühle ich mich zu müde, zu lesen habe ich nichts bei der Hand und zum Schlafen fehlt es noch am notwendigsten: an Stroh, um sich in irgendeinem Winkel drauf hinzulegen. Fast möchte ich mich in meinen Grasgarten nach Amstetten zurückwünschen, obschon unser Aufenthalt an diesem Orte, förmlich durch den Umstand, dass wir es nicht länger darin aushalten konnten, um eine Nacht verkürzt worden ist. Du wirst kaum begreifen, wie dies möglich war, aber höre nur.

Schon am gestrigen Vormittage waren mehrere einzelne Gehöfte in der Nähe des Fleckens in Feuer aufgegangen, ohne dass man eben große Notiz davon genommen hatte, wenngleich schon am Abend zuvor auf Befehl des Prinzen die Wachtfeuer hatten weiter von der Stadt abgerückt werden müssen, um größeres Unheil zu verhüten. Der gemeine Mann war höchst aufgebracht über den Unglimpf, der seinen Kammeraden in Amstetten zugefügt worden war, und sie schienen nicht übel Lust zu haben, den Häusern und Effekten vergelten zu lassen, was sie auf die Schuld der Einwohner glaubten schieben zu müssen, obschon man diesen die Gerechtigkeit widerfahren lassen muss, dass die mehreren ihrer Feinde und namentlich dem französischen Kommandanten durch ihre Vorsorge das Leben gerettet hatten. Mit Mühe schaffte man durch starke Patrouillen eine Menge unbefugter Menschen ins Lager zurück, welche von Zeit zu Zeit in das Städtchen kamen, und Häuser und Keller durchstörten, und aus Besorgnis, dass man dennoch einer großen Gewalttätigkeit nicht würde frühzeitig genug steuern können, nahm man Bedacht darauf, die Verwundeten mit Postpferden fortzuschaffen. Gegen acht Uhr abends erhob sich ein starker Wind und fast zu gleicher Zeit brach plötzlich in drei dicht an dem Orte gelegenen Dörfern Feuer aus, wodurch sie alsbald in Asche lagen, und befürchten ließen, dass auch die Stadt selbst durch sie werde in einen gleichen Zustand versetzt werden. Allem Unheil vorzubeugen, wurde die Artillerie schnell durch die Stadt geschafft, gegen neun Uhr plötzlich Generalmarsch geschlagen, und das ganze Korps in Marsch nach Melk gesetzt, das zu unserem nächsten Nachtquartier ausersehen war. Der Himmel hatte sich unterdes mit Wolken bezogen, die einen nahen Regen verkündigte, und statt der Sterne, leuchteten bloß die glühenden Brandstätten durch die finstere Nacht...


Quelle:
Reise mit der Armee im Jahr 1809, zweiter Teil, Rudolfsstadt1810



Im Sterbebuch der Kirche St. Stephan von Amstetten findet sich für den 5. Juni nur ein Eintrag, der eines "H. v. Kärten", königlich sächsischer Oberleutnant, der umgekommen ist - von den anderen 7 Personen ist darin nichts zu finden.

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